• 14. Juni 2017

Direkte Liquiditätsplanung

Direkte Liquiditätsplanung

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In seinem Gastbeitrag stellt David Kremer das Instrument der direkten Liquiditätsplanung vor und wie damit gesunde Unternehmen vor temporärer, meint überraschender, Illiquidität und damit Insolvenz geschützt werden können. David Kremer war acht Jahre als Einkäufer und leitender Controller in der Automobilzulieferindustrie tätig, u. a. zuständig für den Aufbau einer neuen Unternehmens- und direkten Liquiditätsplanung. Neben der Implementierung war er zudem für die Kommunikation und Verhandlung bei Engpässen hauptverantwortlich tätig. Heute arbeitet David Kremer als selbstständiger Unternehmensberater.

„Pecunia non olet“, „Cash ist King“ und „ohne Moos nix los“. Es gibt fast unendlich viele Redewendungen im privaten, wie im geschäftlichen Bereich, die die Bedeutung der Liquidität unterstreichen. Schauen wir nur auf die Geschäftswelt, so sind es nicht nur Start-Ups, sondern auch Small- und immer wieder Mid-Caps, die trotzdem überraschend wenig Kapazitäten in die exakte Planung Ihrer Liquidität investieren.

Eine Vielzahl an Unternehmen leitet aus der Bilanz und GuV-Rechnung eine indirekte Liquiditätsplanung ab (progressive Kapitalflussrechnung). Sie ist mit wenig Aufwand erstellt und gibt unter dem Gesichtspunkt „Was sein soll“ einen ungefähren Eindruck, was in Abhängigkeit der Planungsperioden und des Planungshorizonts eintreten könnte, so denn der Plan 1:1 Realität und von Zahlungszielen und Effekten weitgehend abstrahiert wird. Eine nachträgliche Detaillierung zum Beispiel auf bestimmte Monate oder Zahlungsströme von (bestimmten) Kunden (Risikobewertung) und zu Lieferanten/Banken oder auch aussagekräftige Abweichungsanalysen sind in der Regel nicht möglich. Als Steuerungsinstrument ist die indirekte Methode somit nur sehr begrenzt einsetzbar und daher nur mit Abstrichen, vor allem aber bei ausreichend liquiden Unternehmen zu empfehlen. Ergänzend zur progressiven Kapitalflussrechnung steht die direkte Liquiditätsplanung. Vereinfacht gesagt, führt diese Planung die überwiegende Mehrzahl von uns im privaten Umfeld nahezu monatlich durch. Sie gibt Aufschluss darüber, „Was sein wird“. Während dieser Planungsansatz im privaten Umfeld noch recht einfach zu realisieren ist, erfordert er in Unternehmen schon deutlich mehr Aufwand, will man verlässliche Werte erhalten. Dieser Aufwand lohnt sich aber immer! Denn nur die rollierende direkte Liquiditätsplanung gibt einen validen Eindruck der tatsächlich zu erwartenden Kapitalströme und damit eine belastbare Grundlage für zum Beispiel Investitionsentscheidungen oder Wachtums-Szenarien aus Sicht der Liquidität. Sie ersetzt ein „Wird schon!“ durch „So geht’s!“. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Transparenz. Eine einmal sauber implementierte direkte Liquiditätsplanung zeigt sehr konkret auf, woher Kapital kommt und wohin es fließt. Es können jederzeit Ziele definiert, aussagkräftige Abweichungsanalysen erstellt und frühzeitig Engpässe gemanagt werden. Eine gute Liquiditätsplanung kann also ein hoch effizientes Managementinstrument sein!

Was braucht es dafür? Die direkte Methode gibt dem Finanzer erst einmal sehr viel mehr Freiheiten bei der Parametrierung, da er nicht an die Vorgaben der Bilanz und GuV-Planung gebunden ist. Er hat somit die Möglichkeit, die Liquiditätsplanung an die Bedürfnisse seines Unternehmens anzupassen. Hilfreich ist aber erst einmal zu überlegen, welche Daten aus den vorhanden Systemen bereits oder perspektivisch generiert werden können oder sollen; eine Auswahl:

  • Zahlungseingänge für bereits gelieferte Ware (Factoring?)
  • Planliefermengen bzw. Planumsätze (z.B. aus der Orderbook)
  • Lohn- und Gehaltszahlungen
  • Lohn- und Kirchensteuern
  • Umsatzsteuern
  • Sozialversicherungen
  • Leasing
  • Lastschriften für Strom, Mieten usw.
  • Kredite, Darlehen usw.
  • Sonderzahlungen, Boni, Provisionen

Von besonderem Interesse sind neben den Einzahlungen aus Umsätzen nun aber die davon abhängigen Auszahlungen an Lieferanten. Während über die Planliefermengen /-umsätze ein sehr effizientes Produktionscontrolling aufgebaut werden kann, lässt sich aus den Planauszahlungen unter Berücksichtigung der Zahlungsziele ein wirkungsvolles Einkaufs- bzw. Dispositionscontrolling ableiten. Entscheidend ist, dass die Zahlungsziele vollumfänglich berücksichtigt werden. Spätestens hier fällt übrigens die sehr weit verbreitete Inhomogenität der Zahlungsziele zwischen Kunden und Lieferanten ins Gewicht und damit ein wesentlicher Hebel zur Reduzierung des Working Capitals. Natürlich wird hier im ersten Schritt oft mit Erfahrungswerten und Durchschnitten gearbeitet, Ziel sollte aber sein, die Systeme soweit zu entwickeln, dass diese Daten automatisiert und exakt vorliegen. Je nachdem, wie stark auch die Produktionsplanung bereits im selben System erstellt wird, können auch Lagerbestände als Steuerungsgröße und Controllingansatz einfließen. Insbesondere bei Werksferien der Kunden und über den Jahreswechsel sollte die meist unterstellte Annahme konstanter Lagerbestände korrigiert werden.

Während die bisher aufgeführten Anforderungen noch nah am Standard sind oder sein sollten, fehlt häufig die Verknüpfung der Haupt- und Nebenbücher. Im täglichen Gebrauch der direkten Liquiditätsplanung bedeutet dies, dass geleistete Zahlungen im Nebenbuch nicht den Planauszahlungen im Hauptbuch zuzuordnen sind. Insbesondere bei Liquiditätsengpässen oder auch der strategischen Entscheidung, Zahlungen zu schieben, wenn also von den üblichen Zahlungsbedingungen abgewichen wird, muss der Zahlungsausgang von der Finanzbuchhaltung manuell gepflegt werden.

Liegen diese Daten vor und ist der entsprechende Prozess implementiert, können Planausgaben für Investitionen, Sondertilgungen, Einzahlungen aus oder Ausgaben für Effekte (Transaktionen, Anlagenverkäufe, Maßnahmen etc) hinzugefügt werden. Hier sei beinahe beiläufig auf Nebenabreden, das Maverik Buying und sonstige erst durch Eintreffen von Rechnungen oder Mahnungen, die bis dahin nicht transparent waren, hingewiesen (Prozessdefizite). Planeinzahlungen abzüglich Planauszahlungen ergibt nun die gewünschte Kennzahl „Cash on hand“ in der jeweiligen Periode. Gegenüberstellung des Ist zum Plan je Zeile ergibt die Abweichungsanalyse. Querlesen der Datei identifiziert die Treiber und zeigt die Stellschrauben für Optimierungen, also die Handlungsanweisungen für Vertrieb, Einkauf, Logistik und Produktion. Eine Gegenüberstellung der Cash-outs zur Plan-GuV kann ebenfalls interessante Fragen aufwerfen.

Best-Practice:

Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurde eine ehemals indirekte Liquiditätsplanung umgewandelt in eine direkte Planung. Zunächst genügte eine Planung auf Monatsscheibe, dann auf Wochenscheibe und schließlich musste sie täglich aktualisiert werden, um in einer höchst kritischen Phase Risiken so früh es ging identifizieren und damit managen zu können. Bereits nach kurzer Zeit haben so alle involvierten Kolleginnen und Kollegen in Vertrieb, Einkauf, Logistik, Produktion und Buchhaltung ein sehr gutes Verständnis von der Bedeutung ihrer Entscheidungen bekommen und konnten hoch motiviert zu Werke gehen. Der Aufwand zur Erstellung der Datei war gerade zu Beginn enorm, da das vorhandene SAP nicht auf diese Art des Reportings ausgelegt war und zudem ohnehin viel mit Zahlplänen gearbeitet werden musste. Zudem standen die benötigten personellen und fachlichen Kapazitäten nicht zur Verfügung. Mit externer Unterstützung wurde also zunächst ein Konzept samt Prozess entwickelt, die betreffenden Personen geschult und die Datei aufgebaut. Ursprünglich nicht im Fokus, aber auch für das eigentliche Kerngeschäft enorm hilfreich war, dass auf diese Weise unser SAP tiefgreifend bereinigt und inhaltlich aktualisiert wurde, was vielen Mitarbeitern das Gefühl gab, dass sich nun endlich um das aus Ihrer Sicht wichtige gekümmert würde, es also voranging. Mindestens ebenso wichtig war das Erfassen all jener Geschäftsvorfälle, die allzu oft höchstens via Flurfunk geteilt wurden. Zahlungsvereinbarungen, die nicht in der Datei erfasst waren, aber plötzlich fällig wurden, führten nämlich zu teils sehr unangenehmen Fragen an die Verantwortlichen. Bereits wenige Wochen nach dem Go-Live der fertigen Datei ging die Verantwortung zurück ins Unternehmen, im konkreten Fall ins Controlling für die Einzahlungen, in die Finanzbuchhaltung für die Auszahlungen, die „den Wasserstand“ meldeten und, wenn nötig, die Steerings mit den Fachabteilungen organisierten. SAP wurde Stück für die Stück weiterentwickelt und die gesamte Cashplanung schließlich in einer Business Intelligence Software abgebildet, so dass sich der tägliche Aufwand für Pflege und Auswertung auf rund 30 Minuten beschränkte. Mit Hilfe dieser Datei konnten der Leiter der Finanzbuchhaltung und ich als Leiter Controlling die Kollegen in Vertrieb und Einkauf umgehend auf Unregelmäßigkeiten hinweisen oder gemeinsam mit der Geschäftsführung frühzeitig Ziele und Strategien definieren, um Engpässe zu vermeiden oder wenigstens kontrollierbar zu machen. Dieser STCFF (Short Term Cash Flow Forecast) wurde neben dem HGB-Reporting und den Projektsteerings das wichtigste Reporting und Steuerungsinstrument im Unternehmen.

Mein Tipp: Auch wenn Sie keine unmittelbare Notwendigkeit sehen, diesen Aufwand jetzt umgehend zu betreiben, fangen Sie an. Denn wenn Sie die Notwendigkeit irgendwann mal erkennen, dürfen Sie davon ausgehen, dass es sehr knapp wird, die Grundlagen für ein effizientes Controlling der Liquidität erfolgreich zu implementieren. Es braucht weit mehr, als eine gescheite Definition einer neuen Kennzahl oder eine saubere Prozessbeschreibung, ist aber ein extrem wertvolles und einmal vernünftig aufgesetzt, wenig aufwändiges Steuerungsinstrument, das im Kern gesunde Unternehmen vor temporärer, meint überraschender, Illiquidität und damit Insolvenz leicht schützen kann.